Wo ist denn eigentlich der Prosaist? – Zwei Kurzgeschichten in Anthologien veröffentlicht

Sicherlich haben sich schon einige von Euch gefragt, ob ich nur noch Zoo im Kopf habe und was aus dem einst jungen Prosaisten geworden ist, der in seiner Sturm-und-Drang-Zeit unter dem Pseudonym „Marshall“ Kurzgeschichten bei KeinVerlag veröffentlichte. „Eine Zeit“, wie ich auf meiner Reise zu Fuß nach Indien in mein Notizbuch schrieb, „als ich noch jung war und nur im Moment lebte, wo es nur die Liebe gab und nichts anderes. Es war eine wunderschöne Zeit, ich fühlte mich frei wie nie. Einzig für die Liebe lebte ich. Die Liebe erfüllte mich gänzlich, sie durchfloss meinen Körper, die Liebe zur Sache, die Liebe zur Schreiberei, die Liebe zu allem, was schön ist – und etwas anderes gab es nicht!

Einmal abgesehen von wissenschaftlichen (Bachelor-Arbeit und Seminararbeiten) und journalistischen Texten (meine Kolumne in den Ruhr Nachrichten) war auch 2015 kein Jahr, in welchem ich mich häufig im Verfassen von Prosa verlor, sodass ich gegen Jahresende, was literarische Prosa betrifft, auf wenig Produktives zurückblicke. Dennoch konnte ich 2015 zwei meiner Kurzgeschichten in Anthologien veröffentlichen.

2015 wurden zwei meiner Kurzgeschichten in Anthologien gedruckt.

2015 wurden zwei meiner Kurzgeschichten in Anthologien gedruckt.

Am 1. Juli 2015 erschien in Michael Schmidts (Hrsg.) Anthologie „Ab18!“ im Verlag Saphir im Stahl meine Kurzgeschichte „Die Geschichte des mythischen Füllers“. Diese Erzählung setzt sich, neben einem Proömium, aus sieben Kapiteln zusammen. Ich hatte diese Geschichte bereits 2009 fertig geschrieben, nachdem ich, mit zahlreichen Unterbrechungen, etwa drei Jahre daran gearbeitet hatte. Auch in Indien war mir die Geschichte begegnet (siehe hier), da die Göttin Kali im Kapitel „Töchterschau“ einen Auftritt hat, wo sie – die Göttin des Todes und der Zerstörung, aber auch der Erneuerung – in einer typischen Kali-Darstellung in Szene gesetzt ist. Neben meinem Text finden sich noch 18 Kurzgeschichten anderer Autoren in der Anthologie wieder. Das Buch kann hier bestellt werden: Anthologie „Ab18!“ bei Amazon

2015 wurden zwei meiner Kurzgeschichten in Anthologien gedruckt.

Eine typische Kali-Darstellung auf einem Poster, welches ich 2010 auf einem Markt in Uttarkashi erwarb. So tritt Kali auch in meiner Kurzgeschichte „Die Geschichte des mythischen Füllers“ in Erscheinung.

Im Oktober 2015 erschien dann in Cornelia Christina Neids (Hrsg.) Anthologie „Einzig aber nicht immer artig“ im Wolkenreiter-Verlag meine Kurzgeschichte „Ein Blick, zwei Augen: Der Moment und das Mädchen“. Dies ist die erste Kurzgeschichte, die ich überhaupt jemals veröffentlichte. Sie war von 2004 bis 2010 online bei KeinVerlag zu lesen. „Die Geschichte des mythischen Füllers“ bezieht sich an einigen Stellen auf „Ein Blick, zwei Augen: Der Moment und das Mädchen“ und stellt einen Bezugsrahmen her, der alle meine frühen Kurzgeschichten unter dem Oberbegriff „Babylonia“ zusammenfassen lässt. Aus dieser Reihe könnt Ihr auch online meine Kurzgeschichte „Vom Treiben in Sodom“ lesen, die ich 2009 schrieb: Vom Treiben in Sodom
Neben meinem Beitrag wurden in der Anthologie „Einzig aber nicht immer artig“ Geschichten und Gedichte von 125 weiteren Autoren abgedruckt. Das Buch kann hier, direkt beim Verlag, bestellt werden: Anthologie „Einzig aber nicht immer artig“ beim Wolkenreiter-Verlag

Marcel Stawinoga – Vom Treiben in Sodom (2009)

Sie klammerte sich fest an ihre Mutter, als diese Männer kamen, die mit den Schießgewehren. Ihre Mutter regte es sehr auf, dass sie verängstigt wirkte. Und die Männer zögerten nicht lange und schossen; erschossen ihre Mutter. Leblos fiel sie zu Boden. Doch sie, sie wollte ihre Mutter einfach nicht loslassen und klammerte sich weiterhin fest an sie. Da ergriffen die Männer sie, öffneten ihre – die Mutter festhaltenden – Hände und entrissen sie ihrer Mutter, derer sie nun eh schon beraubt war. Sie nahmen sie mit und ließen die tote Mutter zurück.
Und eines Tages da wurde sie von ihnen in einen dunklen Raum gebracht. Es waren vier Männer, welche sie ergriffen und mit allen Vieren von sich gestreckt an ein Bett ketteten.
»Wir haben eine Überraschung für Dich, Alter!« Der eben Gesprochene grinste, der gleich Sprechende grinste und alle anderen grinsten auch. »Eine Überraschung?«
»Es ist etwas ganz Besonderes. Die Überraschung wartet genau hier, hinter den Mauern dieser altehrwürdige Kaschemme.« Er deutete dies aussprechend mit beiden Händen auf: Hotel Genesis. »Zimmer 18,  mein Freund, alles Gute zum 26.; hier ist der Schlüssel.«
Leise schloss er die Tür hinter sich. Der Raum war sehr dunkel, doch zwischen den nicht ganz zugezogenen Gardinen schien ein Balken der Sonne Licht und traf das Bett. Dadurch war das Bett etwa zu einem Drittel erleuchtet. Genug, da er sehen konnte, was dort angekettet lag. Ja, es war alles bereit. Rasch warf er einige Blicke durch den Raum: Ein Zimmer plus Badezimmer, dessen Tür offen stand. Sie waren allein und mehr interessierte ihn nicht, da es die Lust war, welche ihn trieb; jene Lust seinen Trieb zu befriedigen. Er zog sich aus, bestieg das Bett und kniete gebeugt über ihr. So etwas hatte er noch nie getan. Dieser kleine Körper, diese Hilflosigkeit – da sie ja gefesselt war – erregten ihn sehr. Er drang in sie ein und schaute dabei in ihr Gesicht: Wenn Schmerz auf Angst vor noch mehr Schmerz trifft, in einer aussichtslosen Situation, in welcher es keine Hoffnung mehr gibt, dann schaut man wohl so. Wäre sie nicht geknebelt, dann hätte sie gewiss geschrieen. Er vollzog einseitigen vaginalen Geschlechtsverkehr mit ihr und ehe das Treiben seinen Höhepunkt erreichte, wurde die verschlossene Tür gewaltsam aufgestoßen und W.S. – dieser Held unter den Menschen – stürmte mit seinen Helfern in den Raum. Auch Polizeibeamte waren mit ihnen; diese ergriffen den Protagonisten, als W.S. und seine Helfer ihre Fesseln lösten. »Du musst jetzt keine Angst mehr haben.« sprach W.S. mit sanfter Stimme. Sie erkannte ihn als seinen Retter und nachdem er seine Arme nach ihr ausgestreckt hatte, umklammerte sie ihn.
Wenige Stunden später brachte W.S. sie in einem Gehege zwischen zwei anderen weiblichen Orang-Utans unter, denen ein ähnliches Schicksal widerfahren ist.